Warum eigentlich?
Weil Luft träge und faul ist
Die Natur hat den Luftteilchen nur eine Aufgabe gegeben: Sie müssen den Raum gleichmäßig ausfüllen. „Geht doch auch nicht anders!“, sagt die Natur, „Denn wenn ihr euch alle in einer Ecke verkriecht, würde ja in einer anderen Ecke ein luftleerer Raum entstehen.“ Die Luftteilchen gehorchen und dümpeln im gleichen Abstand zueinander träge vor sich hin. Nun kommt unsere Tragfläche. Die Luftteilchen werden gezwungen, entweder oben, oder unten an der Tragfläche vorbei zu flitzen.
Die Luftteilchen starten gleichzeitig – oben und unten – und müssen auch gleichzeitig am Tragflächenende ankommen. „Geht doch auch nicht anders!“, ermahnt die Natur, „Wir können doch keinen luftleeren Raum entstehen lassen.“
Das Teilchen, das oben entlang muss, ist aber ganz schön gearscht, weil sein Weg viel weiter ist, wie Du an dem Tragflächenquerschnitt sehen kannst. Was bleibt ihm also anderes übrig, als viel schneller zu sein? Doch wenn das Luftteilchen an der Oberseite so schnell weg sprintet, sind die anderen Luftteilchen, die daneben schlummern, echt angenervt. Die denken sich: „Meine Güte, ist der bescheuert. Er weiß doch, dass wir keinen luftleeren Raum entstehen lassen dürfen.“ Also heißt es „Nachrücken und die Lücke schließen“. Genau das ist der Moment, in dem wir grinsend im Cockpit sitzen: Die trägen Luftteilchen diskutieren und suchen schlaftrunken nach einer Lösung. Sie mögen sich so recht gar nicht bewegen. Im vorderen oberen Bereich der Tragfläche entsteht ein gewaltiger Unterdruck, weil ja ein Teilchen einfach abgehauen ist. Die anderen Luftteilchen brüllen nur „Hilfe, Hilfe“ und wünschen sich, dass doch ein anderer die drohende Lücke schließt. Und was macht unsere freundliche Tragfläche? Sie steigt, vereinfacht gesagt, ein Stück höher und schließt die Lücke. Sie wird geradezu dankbar von den trägen Luftteilchen ein Stück herauf gezogen – der Auftrieb wirkt!
Du kannst das ausprobieren, indem Du Deine Hand während der Fahrt seitlich aus dem Autofenster hälst: Wenn Du die Handfläche flach machst, passiert recht wenig. Wenn Du Deine Hand wie eine Tragfläche wölbst, steigt sie nach oben. Wenn Du Deine Hand vor dem nächsten Schild nicht rechtzeitig wieder rein ziehst, ist sie ab.
…ohne Motor
Schwer wie ein Motorrad – aber viel schöner
Alles, was schwerer als Luft ist, fällt nach unten. Segelflugzeuge wiegen bis zu 850 kg und haben keinen Motor. Warum bleiben sie trotzdem oben? Ein Flugzeug muss sich in der Luft vorwärts bewegen, damit die Luft die Tragflächen umströmen kann. Durch die spezielle Form dieser Tragflächen entsteht ein Auftrieb, der den natürlichen Weg nach unten verlangsamt.
Durch die Verbindung von Vorwärtsbewegung und Abwärtsbewegung legt das Segelflugzeug demnach bei einem bestimmten Höhenverlust auch eine bestimmte Strecke zurück. Gute Segelflugzeuge gleiten bei einem Höhenverlust von 1 m zwischen 35 und 60 m weit. Aus einer Flughöhe von 1.000 m ist es also möglich, 35 bis 60 km weit zu fliegen. Für längere Flüge ist es notwendig, sogenannte thermische Aufwinde zu nutzen: Die Sonne erwärmt die Luft, die dann nach oben steigt. Wenn diese warme Luft schneller aufsteigt als das Segelflugzeug in ihr nach unten gleitet, werden wir mit unseren Flugzeugen teilweise mit mehr als 5 m pro Sekunde nach oben getragen. Entscheidend für den Erfolg eines Segelfluges ist also neben dem Geschick, die Aufwinde optimal zu nutzen, in erster Linie das Wetter: Gibt es keine Aufwinde, können wir die Höhe nur abgleiten und landen.
…ohne Wind
Segelboote brauchen Wind, Segelflugzeuge nicht

Alles, was Segelflugzeuge zum Fliegen brauchen, ist Geschwindigkeit. Diese erreichen sie, indem sie die Erdanziehungskraft nutzen. Klingt komisch, ist aber so. Die senkrechte Fallbewegung wird in eine fast horizontale Vorwärtsbewegung umgelenkt. Segelflugzeuge sind so konstruiert und ausgetrimmt, dass sie in der Luft nicht etwa planlos nach hinten oder seitlich abkippen, sondern sich kontrolliert nach vorne neigen und auf diese Weise Vorwärtsgeschwindigkeit aufnehmen. Die Tragflächen erzeugen dann Auftrieb, was dazu führt, dass das Segelflugzeug nicht vom Himmel fällt, sondern in einer sehr stabilen Fluglage durch die Luft gleitet. Du kannst das mit einem Wasserskiläufer vergleichen: Er muss gegenüber dem Wasser eine bestimmte Geschwindigkeit erreichen, damit er nicht untergeht. Es ist dabei egal, ob er z.B. auf einem Fluss mit oder entgegen der Strömungsrichtung des Wassers fährt; entscheidend ist nur die Geschwindigkeit auf dem Wasser. Dass sich das ganze Wasser gegenüber dem Ufer auch noch bewegt, spielt keine Rolle. Mit dem Wind ist das ganz ähnlich. Für den Auftrieb ist nur die Vorwärtsbewegung des Flugzeuges in der Luft wichtig. Es ist auch hier egal, ob sich die Luft gegenüber dem Erdboden bewegt. Genauso wie man auf einem See, dessen Wasser sich nicht bewegt, trotzdem Wasserski fahren kann, kann man auch in völlig ruhiger Luft Segelfliegen.
High-Tech-Sportgerät
Modernste wissenschaftliche Erkenntnisse, einfachste Handhabung
Modernste Werkstoffe
Kunststoffe werden beim Bau von Segelflugzeugen schon seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Das erste Segelflugzeug, das ganz aus Plastik gefertigt wurde, machte bereits 1957 seinen Erstflug. Die kommerzielle Luftfahrtindustrie hat diese Werkstoffe erst in den letzten Jahren im großen Stil für sich entdeckt. Segelflugzeuge haben bessere Flugleistungen und übrigens auch eine deutlich höhere Festigkeit als Verkehrsflugzeuge.
Know-how-Symbiosen
Was haben z. B. die Hersteller von Windkraftanlagen und von Segelflugzeugen gemeinsam? Beide sind an möglichst leistungsstarken und widerstandsarmen Flügel-Profilen interessiert. So profitieren Windrad- und Segelflugzeughersteller enorm voneinander: Die Flügel der Windräder haben ganz ähnliche Profile wie die Tragflächen der Segelflugzeuge.
Beste cw-Werte
Was den Luftwiderstand angeht, gibt es wohl kein menschtragendes Sportgerät, das vergleichbar gute cw-Werte hat. Formel 1 Wagen sind z.B. im Vergleich zu Segelflugzeugen einfach nur plump und schlecht. Moderne Segelflugzeuge sind aerodynamisch so unglaublich perfektioniert, dass sie im Windkanal nicht mehr Widerstand haben, als ein ganz normales DIN-A 4 Blatt.
Unglaubliche Flugleistungen
Neue Segelflugzeuge, die gerade in der Erprobung sind, erreichen Gleitzahlen von 1:70, d. h. bei einem Höhenverlust von einem Meter legt das Segelflugzeug eine Strecke von 70 m zurück.
Der Windenstart
Lassen wir die Zahlen sprechen:

Das Segelflugzeug hebt nach nur drei Sekunden und einer Rollstrecke von gerade mal zehn Metern mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h vom Boden ab. Wenn wir bei dieser Beschleunigung die typischen Vergleichswerte von Autos heran ziehen, dann wäre die Geschwindigkeit von 0,0 km/h auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden erreicht. Wie ein Drachen schießt das Segelflugzeug dann steil in den Himmel und erreicht dabei eine Steiggeschwindigkeit von ungefähr 11 m pro Sekunde. Das ist in jeder Sekunde mehr als die Höhe eines dreistöckigen Hauses! Nach durchschnittlich 30 Sekunden wird das Schleppseil in ca. 350 m Höhe ausgeklinkt und das Segelflugzeug gleitet frei durch die Luft.
Diese Art zu starten wirkt auf Dich beim ersten Anblick vielleicht etwas rasant. Wenn Du aber selbst fliegst, wird der Windenstart für Dich zu einer ganz normalen Sache. Selbst wenn das Schleppseil einmal reißen sollte, ist das in der Regel keine Gefahr: Seilrissübungen gehören sogar zu unserem Ausbildungsprogramm. Der Start ist in jeder Phase kontrollierbar.
Der Windenstart ist mit großem Abstand die am weitesten verbreitete, umweltfreundlichste und preiswerteste Startart für Segelflugzeuge.
Ackerlandungen
Nichts Ungewöhnliches aber selten
Was ist, wenn wir weit außerhalb des Gleitbereichs zu unserem Flugplatz fliegen, auch keine anderen Flugplätze mehr erreichbar sind und die Aufwinde plötzlich komplett weg sind? In dieser ganz besonderen Lage müssen wir uns einer Situation stellen, die wohl niemand mit großer Routine meistern kann, denn dazu kommt sie zu selten vor: Die Landung in einem Acker.

Sinkt unsere Flughöhe auf unter 500 m, sollten wir immer einen passenden Acker im Auge haben, auf dem wir landen können. Wenn es uns jetzt nicht mehr gelingt, wenigstens noch einen kleinen Aufwind zu finden, müssen wir eben „runter gehen“. Wie aus heiterem Himmel erscheint dann plötzlich ein Segelflugzeug über dem in der Luft ausgewählten Acker, dreht für die Landeeinteilung noch ein paar Kurven, sinkt kontrolliert tiefer und tiefer, um dann schließlich sanft in den Acker hinein zu rauschen. Segelflugzeuge sind so konstruiert, dass sie eine Ackerlandung unbeschadet überstehen.
Innerhalb von Minuten sind oft die ersten Schaulustigen an der Landestelle. Mitunter dauert es länger, bis wir hinreichend erklärt haben, dass wir nicht etwa abgestürzt, sondern bloß wegen fehlender Aufwinde hier gelandet sind. Nachdem wir am Flugplatz Bescheid gesagt haben, fahren ein paar Leute los, um uns abzuholen. Es dauert nur wenige Minuten, dann ist das Segelflugzeug demontiert, in seinem Transportanhänger verschwunden und wir sind wieder auf dem Weg zurück zum Flugplatz. Leider auf der Straße und nicht mehr in der Luft. Wenn es zu diesen seltenen Landungen außerhalb des Flugplatzes kommt, stört das niemanden. Am meisten ärgern sich ohnehin diejenigen, die eine Außenlandung machen müssen, schließlich mag ja niemand gerne „absaufen“, wie es so heißt.