Der Herbst kommt näher. Tiefstehende Sonne, dazu farbenfrohe Blätter, die im Wind tanzen. Die Segelflugsaison neigt sich dem Ende zu. Zumindest die thermische Flugsaison – wobei das in den meisten Segelflugvereinen ja irgendwie dasselbe ist. Nicht so im südlichen Niedersachsen. Ganz im Gegenteil ! Hier konnte man es kaum erwarten, dass es Oktober wird. Herbstzeit heißt nämlich auch: Beginn der Hangflugsaison!

Der Flugsportclub Hannover hat in der ersten Woche der niedersächsischen Herbstferien wieder auf das Segelfluggelände Hellenhagen am Ith im Weserbergland geladen. Pandemiebedingt unter strenger 2G-Regelung und ohne Hangflugparty. Der Fun bleibt aber trotzdem nicht aus, und das hat sich mittlerweile herumgesprochen:

Nicht nur aus Niedersachsen, auch aus Süddeutschland, Belgien und der Schweiz reisen regelmäßig Gäste an. So auch wir – ein Haufen Bayern, die nach Norddeutschland fahren, um Hangzufliegen?! „Da hoch? Wenn man den Bayerischen Wald mit seinen Erhebungen von über 1000 Metern vor der Haustüre hat?“ – Das hören wir öfter. Aber man muss den Ith wohl selbst erlebt haben, um das zu
verstehen.

Am Anreisewochenende präsentierte sich das Weserbergland gleich von seiner besten Seite – für Normalsterbliche. Sonnenschein, bestes Wetter, aber kaum Wind. So was Blödes ! Aber man kann es ja mal versuchen…

Schließlich brauchen die Neulinge ja ohnehin einen Einweisungsstart auf den Flugplatz, der doch etwas speziell ist. Eine 1000 Meter lange, gerade Bahn sucht man hier vergeblich. Dafür startet man aber direkt in den Hangwind – wenn er denn bläst. „Ich glaube, ihr habt heute den Hangflug neu definiert“, so der Kommentar beim abendlichen Grillen am Lagerfeuer. Eine Ka6 und eine DG500 hatten es doch glatt geschafft, sich über eine Stunde bei der leichten Brise in der Luft zu halten.

Am Sonntag wurde es schon ein bisschen besser, aber spätestens am Montag hieß es: Herbstwetter und ordentlich Westwind – und der sollte bis Wochenmitte sogar noch besser werden. Der Ith wurde also ordentlich gerockt. Und mit dem stärker werdenden Wind konnten wir auch die ersten, ganz schwachen Wellen erfliegen. Am Mittwoch wurde schließlich der Zeitpunkt für das Briefing von 10.00 auf 9.00 Uhr vorverlegt. Bereits deutlich vor Sonnenaufgang sah man dutzende Taschenlampen und Scheinwerfer bei den Anhängern, während der Windsack wie angenagelt waagrecht in Richtung Hang zeigte. Jeder Nicht-Segelflieger hätte uns bei diesem Spektakel wohl für völlig bekloppt gehalten. Gegen 9.35Uhr ging der erste Windenstart raus. Spätestens als kurz nach 10 Uhr das erste Video aus der Welle in 2.500 Metern in die WhatsApp Gruppe geschickt wurde, gab es am Boden kein Halten mehr. Ein Flugzeug nach dem anderen wurde in die Welle katapultiert, die etwas südlich vom Flugplatz Hellenhagen direkt aus dem Hangwind heraus zu erreichen war. Bei nahezu blauem Himmel
und bereits über 80 km/h Wind in 1000m musste man schon fast aufpassen, nicht nach hinten aus dem Steigen zu fallen. Ein absolut surreales Bild – bei völliger Ruhe im Cockpit (mit Ausnahme des stetigen, aber sehr angenehmen Piepsens des Variometers) stehen wir
regungslos über Grund, umzingelt von etwa 60 anderen Segelflugzeugen. Sechzig Segelflugzeuge, einer neben dem anderen, verteilt über ein Höhenband von etwa 1000m und eine Breite von circa drei Kilometern. Wer es sich bildlich vorstellen will:

Schaut euch eine beliebige Angriffs-Szene des Imperiums in Star Wars an … aber ich schweife ab. Bis auf Donnerstag (an dem die Ith-Sole-Therme vermutlich zu 50% von Segelfliegern besucht war) konnte von Samstag bis Samstag jeden Tag am Hang geflogen werden. An zwei
Tagen glückte bei mehreren Teilnehmern der Sprung an die Porta und auch wieder zurück, an drei Tagen konnten wir neben dem Hang auch diverse Wellen unsicher machen. Nach einer Woche war Hellenhagen deutlich an der Spitze der weltweiten Flugplatz-Wertung bei WeGlide für die Saison 2022… zumindest für kurze Zeit.

Aber nicht nur fliegerisch wurden wir verwöhnt – auch kulinarisch! Neben diversen Grill-Abenden mit dem lokalen „Gutsherren“ – Bier gab es als Wochenhighlight am Donnerstagabend frisch geräucherte Forelle aus lokaler Zucht! Fun am Hang ist schließlich nicht nur Fliegen, sondern auch Gemeinschaft – auch und ganz besonders in Zeiten der Pandemie. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Hellenhagenern für die grandiose Woche und die alljährliche Gastfreundschaft. Es ist nicht selbstverständlich, dass ihr jedes Jahr bei dieser Kälte so viele Gastpiloten bei euch aufnehmt und dafür auch noch euren Flugplatz quält. Es war uns wie immer eine Freude! PS: Wir bringen den Ith-Matsch aus dem Fahrwerkskasten nächstes Jahr wieder mit. Versprochen!

 

Jonas Blahnik

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